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PRESSE und REDEN

„Ein richtig guter Maler. Aber was er da malt, also …“

Uwe Warnke zu den Arbeiten Zoppe Voskuhls, aus Anlass der Ausstellung „Bilder, Skulpturen und Grafiken aus der Werkgruppe Rüdi Bilder” in der Galerie elm 75, Weserstrasse 164, Berlin (Neukölln) am Samstag den 1. November 2008

 

Meine Damen und Herren,

 

das vorangestellte Zitat ist ein auf Zoppe Voskuhl Gezieltes. Es entstammt der Museumsstrukturen. In diesen wird ja immer abgewartet, was außerhalb ihrer eigenen, durchaus rückwärtsgewandten Welt passiert. Wir wollen dies nicht beklagen, nur feststellen. Die Gründe, wie zum Beispiel deutlich begrenzte monetäre Möglichkeiten aber auch die beziehungsreichen Abhängigkeiten eigener Strukturen, reihen sich immer noch ein neben fehlenden Mut und dem wenig vorhandenen Willen, Kritik auszuhalten. Hier die Zusammenhänge zu erkennen, hilft weiter.

Ein richtig guter Maler. Richtig und gut. Ein figürlicher Maler? Voskuhl selber sagt: „Ich bin ein realistischer Maler.“ Will er uns nur provozieren? Werden da nicht all unsere Vorurteile wach? Realismus, war das nicht auch die abgegriffene Spiegelwelt insbesondere realsozialistischer Prägung? Nein, keine Spiegelwelt, gewiss nicht. Das, was wir auf seinen Bildern sehen, ist dennoch unsere Wirklichkeit, ein Ausschnitt, sind einige unserer vielen Welten. Dort sind zwar einige Naturgesetze aufgehoben, Gravitation findet gelegentlich nicht statt, unsere Körperlichkeit manifestiert sich lediglich in Ähnlichkeiten, einzelne Figuren sind mit Fähigkeiten ausgestattet, die uns fremd sind und die wir nicht verstehen usw. – dennoch sind das unserer Konflikte. Das sind auch unsere Idyllen. Nicht immer wollen wir all dies wahrhaben. Wir kommen aber nicht umhin, wenn wir die Malerei Zoppe Voskuhl genießen und wertschätzen wollen, uns mit diesen auseinander zu setzen. Und ich sage: Zoppe sei Dank.

Die erste Begegnung mit den Figuren und der Bildwelt Voskuhls passierte vor wenigen Jahren in einer mir seit fast zwei Jahrzehnten bekannten Kreuzberger Druckwerkstatt. Der Verlegerkollege und Drucker Hendrik Liersch, immer unterwegs wenn für die Buchkunst und Dichtung irgendwo ein Pflock eingeschlagen werden sollte, druckte bei Maikowsky und Weller die Linolschnitte des Künstlers, zeigte sie mir und verband damit die Frage, ob das nicht auch mal was für meine, mit Originalen arbeitende Zeitschrift sei. Ich sah mir einige Drucke an und konnte wohl ein Schmunzeln nicht verkneifen. Das genügte, das war meine Weihe. Ich war also dabei, erhielt noch einen Katalog als Zugabe und es war ausgemacht. Die nächste Aus-gabe von Entwerter/Oder enthielt Grafiken von Zoppe Voskuhl. Ich war dem Künstler bis dato noch nicht einmal begegnet. Der Katalog verschärfte dann noch meinen ersten Eindruck. Was war das da auf den Bildern? Was war da los? Die Intensität der Bilder war noch um einiges größer. Während sich die Linolschnitte auf eine Bildidee reduzieren ließen, einen Gedanken, ein Bonmot, war die Welt der Bilder deutlich komplexer. Hier fand Malerei statt, Farbe kam nicht nur ins Spiel, sie war bestimmend. Noch mehr Figuren, die agierten. Ein Spiel, das mich erneut irritierte. Und es ging da ordentlich zur Sache. Hier wurde gemordet und geliebt, geopfert und gezeugt, gekämpft und gespielt, gegeißelt und genossen – eher selten kontemplativ auf dem Sonnendeck gelegen. Doch immer wieder Form, Figur, Form.

Malerei, das ist Liebe zur und Umgang mit Farbe auf der Fläche. Ihre Materialität ist im Vorgang des Malens Schicht um Schicht gewachsen und auf den Bildern ablesbar. Ihre Pastosität ist schließlich zu greifen. Etwas das Voskuhl lieb und teuer ist, das er schätzt und verteidigt. Und doch ist dabei die Form immer stärker als die Farbe. An diesem Naturgesetz der Malerei kommen wir auch heute Abend nicht vorbei. Dieses Gesetzes ist sich der Künstler auch durchaus bewusst. Ihm stellt er sich immer wieder. Es ist immer wieder ein Wagnis, sobald der Pinsel in der Hand gehal-ten wird, die Leinwand ausgebreitet und die Farbe frisch heraus gedrückt ist. Ein Wagnis, das sich die Waage zu halten versucht, das schussendlich auf einen Ausgleich aus ist, auf eine Lösung. Diese liegt im Ästhetischen. Gelegentlich tauchen Textsplitter auf. Die scheinbar nebenbei oder flüchtig notierten Wortreihen sind bei genauem Hinsehen doch Handreichungen, die unserem Denken eine Richtung geben können. Eine mögliche Aussage wird auch dadurch immerhin so gelenkt, dass ihr zumindest die Beliebigkeit genommen wird. Ich mache es kurz: Dialektik, meine Damen und Herren. Das eine undenkbar ohne das andere. Bedingtheiten, die ausgehalten werden müssen und eben hier auch ausgehalten werden.

 

Ich möchte noch ein wenig über die Figuren selbst nachdenken. Die Kopffüßler des Bilderkanons der 60er und 70er Jahre haben hier wieder vorsichtig Körper erhalten. Figuren in allen Größen neben-, hinter- und übereinander. Nicht durch Alter voneinander getrennt, eher durch ein Mehr oder Weniger an Zuteilung. Da hat der eine mehr Glück gehabt als der andere. Das kommt mir bekannt vor. Es scheint übrigens niemand darüber Klage zu führen. Das unterscheidet uns von ihnen. Körper, auf denen kindsähnliche Köpfe sitzen. Ein Kindchenschema ist sicher nicht zu übersehen. Comic? Lebensfähig genug sind lediglich ihre Gliedmaßen dünn ausgebildet, aber offensichtlich hinreichend stabil und damit zu allerhand Tat und Schandtat einsetzbar. Sympathisch und verspielt. Alles strebt nach oben. Manche kommen gar aus der Erde. Der Aufenthalt hier hat irgendetwas Vorläufiges.

Ist es so, dass es Voskuhl auf diese Weise, mit dieser Figuration, gelingt, etwas passieren zu lassen, dass man Erwachsenen in vielen Fällen so nicht abnehmen würde? Und wirkten die Auseinandersetzungen, die Konflikte, die Gewalt dann nicht ganz anders? Warum ist eine Folterszene bei Voskuhl keine Folterszene? Woher kommt die Gelassenheit in den Gesichtern der Akteure? Wird da, so ganz nebenbei, ein Tabu gebrochen? Welche Berührungsängste werden hier geschickt unterlaufen? Warum sind die Direktbilder, die dies zum Thema machen, zum größten Teil verkauft?

Plötzlich ist Idylle, sonst kaum auszuhalten, weil falsch und verlogen, möglich. Kunst, wenn sie groß ist, kann das. Mir kommt da Richter in den Sinn. Nein, der 1884 verstorbene Dresdner Romantiker Ludwig Richter. Doch irgendwas stimmt bei dem Vergleich nicht. Voskuhl war nie auf die Romantik hinter dem Idyll aus. Nie dieses „verweile doch du bist so schön“ - während draußen eine andere Wirklichkeit zusammen gebulldozert, zusammen spekuliert wird. Bei ihm knistert die Doppelbödigkeit und man ahnt, irgendwas wird geschehen. Oder ist allein die Existenz solchen Idylls längst der Beleg dafür, dass Grausames und Unwiederbringliches geschehen ist und geschieht?

Ein Name noch: Henry Darger. Der Chicagoer Hausmeister eines Krankenhauses, der 1973, nach seinem Tod neben 15 000 Seiten Text auch noch mehrere hundert Blätter Zeichnungen hinterließ und dessen Kindsfiguren, allerdings alle geschlechtslos oder dem weiblichen Geschlecht zuordenbar, ebenso vielfältig und schwerelos wie bei Voskuhl agieren. Es gibt immer Berührungen. Hier angekommen bewegen wir uns mittlerweile am Rande von Art Brut. Ja, ich weiß, wie sehr das hinkt.

Ist es in der Malerei eigentlich auch so, dass am Ende das Bild schlauer ist als sein Maler? Bei Texten ist das so. Der Text ist immer klüger als sein Autor.

Wo waren wir noch stehen geblieben?

 

Vielen Dank

 

„Morgen früh – vom Sagen und Nichtssagen“

 

Der Maler Zoppe Voskuhl präsentiert unter dem Titel „Morgen früh – vom Sagen und Nichtssagen“ Bilder, Skulpturen und Grafiken aus zwei seiner Werkgruppen – den Schönbildern und den M-Bildern. Neben diesen Werkgruppen arbeitet der Künstler in weiteren Werkkomplexen, z. B. den Meter-Bildern, den Braunbildern und den Direktbildern.

Alle ausgestellten Bilder stammen aus der Berliner Zeit des Künstlers, der sein Studium 1983 an der Kunstakademie Bremen absolvierte. Seitdem lebt und arbeitet er als freischaffender Künstler – zuerst in Bremen, dann vier Jahre in Paris  bis ihn sein Weg über Hannover nach Berlin führte. Genauer Berlin – Kreuzberg in ein sonniges Atelier mit eigenem Charme, wo ich dem Werk des Künstlers erstmalig – sozusagen an seinem Entstehungsort – begegnete. Großformate, Kleinformate, Skulpturen, Wandobjekte, bemalte Leinwandlappen, eine Fülle von Zeichnungen und Papieren, Farbtuben, Pinsel, Draht, Druckstöcke drängten sich mir entgegen und doch, erkennbar im scheinbaren Chaos, ist das Ordnungsprinzip des sowohl leidenschaftlich als auch kalkulierend arbeitenden Malers.

 

Morgen früh – Schön geht es in der vom Künstler geschaffenen Welt zu. Morgens wird der Ranzen geschnürt, Vorhaben werden gefasst – Aufbruch und Vorfreude schwingt in den Motiven. In den Schönbildern ist eine Wohlgestimmtheit, ein gelassenes, freudiges Dasein formuliert. Häschen begrüßen sich lächelnd, Vögelchen ziehen einen Wagen, Küken schnäbeln miteinander und eine Hexe rauscht durch die Lüfte.

Die Protagonisten der Bilder sind – der Kürze halber nur eine Auswahl - Hasen, Igel, Enten, Schlangen und Menschen. Der Mensch ist als Kunstfigur dargestellt, gekennzeichnet durch einen übergroßen Kopf und einen mickrigen Leib mit dürren Beinen. Bekleidet oder nackt, männlich oder weiblich, aktiv oder passiv stolpert, hüpft, springt oder schreitet er oder sie durch die Arbeiten aller Werkgruppen des Künstlers.

 

Die Tierdarstellungen von Zoppe Voskuhl sind abgeleitet aus der Pop- und Comicwelt von Kindern. Sie sind in Gestik, Mimik und Handlung dem Menschen angeglichen. Der Künstler nutzt die moralisch unbelastete Folie des Tieres als Möglichkeit auf das Gute im Menschen zu verweisen. Schönbilder nennt der Künstler die Werkgruppe mit vorwiegend tierischem Personal. Sie sind in zahlreichen Arbeitssitzungen gemalt. Die mit Kohle gezeichnete Anlage des Bildes ist häufig sichtbar stehen gelassen, wie zum Beispiel im Selbstbildnis als Hexe, das Sie von der Einladung her kennen. Manchmal ist auch über schon gemalte Partien hinweg gezeichnet. Mit Ölfarbe gesetzte Licht- und Schattenwirkungen schaffen Volumina, die die Bildinszenierung bestimmen. Neben den großzügig gesetzten plastischen Effekten und in diese integriert stehen Konzentrationen der Malerei in denen kleinteilige, pointillistische Strategien zelebriert werden. Der Künstler geht über die Instrumentalisierung der Farbe im Dienste des erzählerischen Sujets hinaus. Er zielt auf die Verselbständigung der Farbe. Voskuhl lässt sie im malerischen Prozess ihre eigene Wahrheit und Qualität herausstellen, die der Betrachter unabhängig von jeder Bildfabel wahrnehmen kann. Lasierende und pastose, opake und aquarellierte, begrenzte und verlaufende Farbpartien. Die Malerei behauptet hier in einem anderen Sinne als das Sujet eine lebenswerte Welt.

Gekennzeichnet ist die Werkgruppe durch einen reduziert behandelten Bildgrund,  die Kombination von Malerei und Zeichnung und durch die Verwendung von Text- bzw. Schriftfragmenten im Bild, wie im „Selbstbildnis im Aquarium“, in „Liebe und Glück“, oder in „Ganz oder gar nicht“. Die Semantik ist doppelbödig, manchmal ohne Sinn, Schrift wird zum Anlass genommen für die Malerei. Schrift als Motiv ist für den Künstler untergeordnet, sie wird Malerei oder Zeichnung und somit gestalteter Teil des komponierten Bildes.

 

 

In dem Werkkomplex der M-Bilder entwickelte Voskuhl seine menschliche Figur mit übergroßen Kopf und kleinen Körper. Trotz des Schemas sind die Figuren individualisiert. Voskuhls frühere Erfahrung als altmeisterlicher Porträtist ist hier spürbar, vornehmlich in der Auffassung der Köpfe. Seine auch heute noch als Fingerübung ausgeübten naturalistischen Portraits schwingen mit.

Die Ambivalenz von Typisierung und Porträts den Figuren eine eigentümliche Präsens,  wie z. B. in dem Bild mit grünem Bogen, (hinter mir) in dem drei Figuren uns gegenüberstehen und wie es scheint aus dem Bild heraustreten wollen. In dem Bild Madonna steht uns eine rotgewandete monumentale Figur gegenüber und scheint uns zu fixieren. Voskuhl gibt seinen Figuren oft etwas Unausweichliches und provoziert so die Auseinandersetzung mit dem Bild. Das Handlungsrepertoire der Figuren der M-Bilder ist breit angelegt, die Überindividualisierung der Akteure spannt aber immer den Bogen zu einer irritierenden Wahrnehmung des Menschen.    

 

Erlaubt sei ein Zitat vom Kunstkritiker Michael Stoiber:

„Es kann keinen Zweifel geben, dass Voskuhl mit seinen Menschen aus hypertrophen Kopf und atrophierten Körper emblematische Figuren für unsere Zeit geschaffen hat. Eindrucksvoll künden sie von der Kopflastigkeit des modernen Menschen und vom Zurückweichen des Körpers.“

 

Auf den M-Bildern wird ausschließlich mit Ölfarbe gemalt. In wuchtigen Pinselhieben choreographiert er mit ihr und durch sie das Geschehen auf der Leinwand

Im Unterschied zu den Schönbildern sind die M-Bilder vehement realisiert, meist in nur zwei bis drei Arbeitssitzungen entstanden, jedoch in vielen Skizzen und Studien vorbereitet. Genauere Überlegungen zum Motiv, zu Form und Komposition erlauben dem Künstler seine Aufmerksamkeit auf den Akt des Malens zu konzentrieren. Für Voskuhl bedeutet das einen homogenen Organismus aus Materialbeschaffenheit, aus Farbigkeit, aus Gestus und Duktus herzustellen. Bildraum und Gegenstand sind in gleicher Intensität hergestellt und präsentieren sich wie aus einem Guss.

 

 

Vom Sagen und Nichtssagen

 

Die realistisch ausformulierten Motive, die erzählerisch verknüpften Figuren münden in Bedeutungsfelder, die oft zu zeichenhaften Ensembles konzentriert werden. Inhaltlich scheint die Positionierung deutlich. Der Zeichencharakter öffnet dem Betrachter den Zugang zu den Arbeiten. Der Betrachter folgt über das Ganze des Motives einer Bewegung hin zur Malerei, hin zu Komposition, Körper, Raum und Fläche, Licht, Farbigkeit und Material.

In der Hierarchie der Werte des Künstlers steht das Formale, das Gemachte, das Künstlerische vor der Aussage - dem Sagen -.auch wenn es auf dem ersten Blick anders erscheint. Der  schönen, komplexen und sinnesfrohen Welt der Malerei Bedeutung und Ausdruck zu geben, ist es, worauf es diesem Maler ankommt. Die tradierten Werte der Malererei sind der Kontext in dem er sich verhält. Die Malerei an sich ist ein schweigsamer Kosmos  Sie sagt nichts,  sie macht Angebote.

 

Jetzt möchte ich Sie ganz herzlich einladen, die Werke für sich selbst zu entdecken

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